Accessibility – Barrierefreiheit in der Softwareentwicklung

Roth, Ellen | 10.01.2024
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Software spielt zunehmend in allen Lebensbereichen eine wichtige Rolle. Aufgrund des immer höheren Stellenwerts wird es zunehmend wichtiger, dass jedem Menschen die selbstständige Nutzung von Software möglich ist. Barrierefreie Software ist hier das Stichwort. Für öffentliche Stellen ist diese bereits vorgeschrieben, ab Juni 2025 wird die Vorschrift ebenfalls auf den Onlinehandel sowie verschiedene Online-Dienstleistungen ausgeweitet. Barrierefreiheit wird dadurch also auch für die meisten Privatunternehmen verpflichtend. Aber schon jetzt können Entwickler und private Unternehmen davon profitieren.

Was bedeutet Barrierefreiheit in der Softwareentwicklung?

Die Idee der Barrierefreiheit (Accessibility) entstammt dem Bauwesen. Dort wurde festgelegt, dass Einrichtungen für jeden Menschen zugänglich sein müssen – barrierefrei also. Definiert wird Barrierefreiheit im Gesetz zur Gleichstellung von Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz - BGG) § 4 Barrierefreiheit. Demnach ist etwas barrierefrei, wenn es für Menschen mit Behinderungen ohne fremde Hilfe oder besondere Erschwernis gleichermaßen nutzbar, zugänglich oder auffindbar ist wie für unversehrte Menschen.

Barrierefreiheit ist mehr als eine freundliche Geste, es geht dabei um Selbstbestimmung und Chancengleichheit. Auch Software muss nach dieser Zielvorgabe gestaltet werden.

Barrierefreiheit in der IT

Accessibility im Software-Kontext bedeutet verstärkte Benutzerfreundlichkeit. Diese sollten Unternehmen anstreben, nicht nur für die Kundenzufriedenheit, sondern auch zur Erreichung einer größeren Zielgruppe. Der Einbau entsprechender Funktionen im Nachhinein mag aufwendig erscheinen, auf lange Sicht zahlt es sich jedoch aus. Zudem ist es absehbar, dass Accessibility bald für jede Software und Website verpflichtend wird.

Einfache Bedienbarkeit im Web Gateway 2 für alle

 

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Gibt es Gesetze zur Software-Barrierefreiheit?

Gesetze zur digitalen Barrierefreiheit gibt es schon länger. Durch Aktualisierungen und Erweiterungen ist in den letzten Jahren die Berichterstattung gewachsen. Seit 2002 gibt es das Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz - BGG). Die barrierefreie Informationstechnik ist hier nur ein Unterpunkt. Doch bereits zum 31. Dezember 2005 musste die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) umgesetzt sein. Am 25. Mai 2019 trat die neue Fassung „BITV 2.0“ in Kraft. Sie beschreibt die Standards nicht mehr selbst, sondern verweist auf die harmonisierten Normen der Europäischen Union. Ein IT-Anwendung muss dieser Norm entsprechen, um die Accessibility-Anforderungen zu erfüllen.

Noch ist Barrierefreiheit jedoch nicht für jede Software verpflichtend. Lediglich für öffentliche Stellen des Bundes und der Länder ist sie obligatorisch. Dazu gehören Ämter, Universitäten, Krankenhäuser und Bibliotheken. Auch das Intranet der Behörden muss für dort Beschäftigte uneingeschränkt zugänglich sein.

Am 28. Juni 2019 trat der European Accessibility Act (EAA) in Kraft. Dieser Rechtsakt legt gemeinsame Regeln für die Software, digitalen Dienste und Hardware fest, die in der EU verkauft oder verwendet werden. Er geht also über staatliche Anwendungen hinaus. Ab 28. Juni 2025 gilt die Gesetzgebung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Dieses verpflichtet Unternehmen zur Einhaltung festgelegter Barrierefreiheitsanforderungen für Dienstleistungen (inklusive Online-Handel), welche für Verbraucher erbracht werden. Es betrifft somit viele Hersteller, Händler, Importeure und Dienstleistungserbringer.

Weitere Normen und Richtlinien zur Software-Accessibility

Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.1) beziehen sich auf das Internet. Sie gelten international. Außerdem gibt es noch den spezifischen Standard PDF/UA (ISO 14289:1:2016-12). Dieser umfasst die Anforderungen an barrierefreie PDF-Dokumente.

Manche Softwareunternehmen wie Microsoft veröffentlichen eigene Richtlinien. Damit geben sie ihre Expertise an externe IT-Experten weiter. Zugleich informieren sie somit über die Möglichkeiten ihrer Programme.

Die Überwachsungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit, kurz BFIT-Bund, prüft als unabhängige Einrichtung die Barrierefreiheit der öffentlichen Stellen. Sie entwickelt zudem praxisnahe Lösungsansätze und ist somit ein wichtiger Berater.

Darauf sollten Sie achten – Features für mehr Barrierefreiheit

Eine vollständige Liste mit allen möglichen Funktionen existiert derzeit nicht. Im BITV 2.0 wird lediglich beschrieben, dass die Anwendungen „wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust“ zu sein haben. Die spezifischen Anforderungen befinden sich in der Norm EN 301 549.

Im Folgenden wird eine Reihe von Maßnahmen aus den zuvor genannten Normen, Verordnungen und Guidelines aufgelistet, die Sie schon jetzt in Ihrer Software integrieren sollten:

  • Text in einfacher Sprache
    Leicht verständliche Formulierungen helfen nicht nur Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder Nichtmuttersprachlern. Gerade bei Texten von Ämtern oder Gerichten ist eine Vereinfachung für jeden User nützlich. Wichtig ist dabei, die Sprache der jeweiligen Zielgruppe anzupassen.
  • Screenreader
    Vorlese-Anwendungen gibt es in der akustischen Variante sowie in der taktilen, mithilfe einer Braillezeile. Entwickeln Sie Ihre Software so, dass sie von Maschinen lesbar ist. Bei Webanwendungen hilft dies auch, besser von Suchmaschinen gefunden zu werden.
  • Schriftgröße, Farbe und Kontraste ändern + Bildschirmlupe
    Für bessere Lesbarkeit der Inhalte sollten die Schrifteigenschaften individuell angepasst werden können, besonders nützlich bei Sehschwächen ist ebenfalls die Integration einer Bildschirmlupe.
  • Verwendung von Symbolen und Farben
    Farbenblindheiten, wie z. B. die verbreitete Rot-Grün-Schwäche, erschweren den Umgang mit Texten und anderen Website-Elementen. Vor allem da bestimmte Farben gern genutzt werden, um Elemente voneinander abzugrenzen. Ergänzen Sie daher die Farbmarkierungen um Symbole, damit zum Beispiel positive und negative Antworten für jeden unterscheidbar werden.
  • Alternativbeschreibung bei Bildern
    Diese Texte beschreiben detailliert, was auf einem Bild zu sehen ist. Dies hilft nicht nur blinden Menschen, Ihre Darstellungen zu verstehen. Es funktioniert auch, wenn die Grafikdatei nicht richtig angezeigt wird sowie bei SEO-Zielen.
  • Untertitel
    Damit schwerhörige und gehörlose Menschen Software mit audiovisuellen Inhalten verstehen können, benötigen sie Untertitel. Diese sind darüber hinaus auch in Umgebungen mit lauten Hintergrundgeräuschen oder bei fehlendem/deaktiviertem Lautsprecher hilfreich.
  • Gebärdensprache
    Auf der Startseite öffentlicher Stellen müssen bereits Erläuterungen in Gebärdensprache vorhanden sein. Bei privat vertriebener Software sind Erklärvideos mit Gebärdensprache nicht vorgeschrieben, doch sie sind ein großer Schritt in Richtung Chancengleichheit.
  • Sprechende Links
    Damit von einem Screenreader vorgelesene Links gut zu verstehen sind, sollten Sie in Ihren Links auf komplexe Zeichen und Zahlen verzichten und diese stattdessen so einfach, eindeutig und sprechend wie möglich gestalten (gleiche Benennungen vermeiden).
  • Tabulatorsteuerung
    Bei motorischer Beeinträchtigung ist es schwer, den Cursor zielgenau zu bewegen. Die Steuerung mit der Tab-Taste erleichtert unter anderem das Ausfüllen von Formularen, auch für Personen, die die Tastatur der Maus vorziehen oder spezielle Hilfsmittel („assistive Technologien“, z. B. Joysticks) verwenden.
  • Logische Anordnung von Elementen
    Sich verändernde, animierte oder verschachtelte Bausteine mögen interessant aussehen, doch sie machen die Lesbarkeit und Bedienung schwierig. Nutzen Sie stattdessen eine tabellarische Anordnung mit klarer Abfolge.
  • Mehrere Kontaktmöglichkeiten
    Wenn der Support kontaktiert werden muss, ist dies für manche telefonisch einfacher, für andere per E-Mail. Sorgen Sie daher dafür, dass Sie verschiedene Kommunikationskanäle anbieten.
  • Hinweise bei Falscheingabe
    Eine Funktion, über die sich jeder freut: Erklärungen darüber, was genau in welches Feld eingegeben werden muss und in welchem Format. Außerdem auch ein erscheinender Hinweis im Falle einer falschen Eingabe.
  • Sprachbefehle/KIs
    Künstliche Intelligenzen können Aufgaben auf Befehl hin bereits selbst erfüllen. Wenn dies auch in Ihrem Programm möglich ist, wird es automatisch barrierefreier.

Fazit

So wie sich Mindestanforderungen stetig weiterentwickeln, sollte Software stets zeitgemäß sein und aktuellen Standards entsprechen. Auch wenn Barrierefreiheit noch nicht für jede Software verpflichtend ist, empfiehlt es sich, schon jetzt Accessibility-Features in die eigene Software zu integrieren und so uneingeschränkte Nutzung zu ermöglichen. Damit erreichen Sie einerseits eine größere Zielgruppe und sichern sich andererseits wichtige Wettbewerbsvorteile – Barrierefreiheit wird inzwischen schon in vielen Ausschreibungen gefordert.

Das Web Gateway 2 bietet verschiedene zielgruppengerechte Anpassungsmöglichkeiten wie Screenreader-Unterstützung, ausschließliche Tastaturbedienung und die individuelle Einstellung von Schriftgrößen, -kontrasten und Symbolen. Damit können effiziente, intuitive Bedienung und barrierefreies Arbeiten nach WCAG 2.1-Standard, Level AA gewährleistet werden.

Webbasiertes Arbeiten in allen OMNITRACKER-Applikationen mit dem Web Gateway 2.

 

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